Das Angebot des Waldes

Die Kunst des Sammelns

Das Sammeln im Regenwald ist ein zentraler Bestandteil des Lebens der Baka. Bei ihren Exkursionen sammeln sie Pflanzen, Pilze und Raupen. Diese Tätigkeit wird vor allem von Frauen ausgeübt, während Männer sich auf die Jagd konzentrieren. Die gesammelten Ressourcen ergänzen die Jagdbeute perfekt und decken den Bedarf an Kohlenhydraten, Proteinen, Vitaminen und Fetten.

Dank ihres umfassenden Wissens über die Wachstums- und Reifezeiten können sie das saisonale Angebot gezielt nutzen. Sammeln wird seit Jahrtausenden praktiziert und bewahrt eine nachhaltige Balance zwischen Ressourcennutzung und Nahrungssicherheit. Dieses Gleichgewicht wird jedoch zunehmend durch Klima- und Umweltveränderung, eingeschränkten Zugang zum Wald, sowie eine Nutzung, die über den Eigenbedarf hinaus geht, bedroht.

Vielfältige Stärkelieferanten

Während in den Dörfern am Strassenrand Maniok, Mais, Reis und Kochbananen den Speiseplan dominieren, sind die wilden Yamswurzeln des Waldes für die Baka eine Delikatesse. Sie erkennen anhand der dünnen Schlingpflanzenstängel, wo im Boden eine Knolle verborgen ist, und graben sie mit Macheten oder speziell gefertigten Werkzeugen aus.

 

Das Sammeln von wildem Yams ist arbeitsintensiv, da die Pflanzen einzeln im Wald wachsen und die Knollen oft tief im Boden verborgen sind. Obwohl der Ertrag im Vergleich zu angebauten Yamssorten oder Maniok gering ist, zeichnen sich die wilden Yamsknollen durch einen höheren Gehalt an wertvollen Nährstoffen aus. Die Baka schätzen die Knollen wegen ihres einzigartigen Geschmacks und sind fester Bestandteil ihrer traditionellen Ernährung.

Unter dem Begriff «wilder Yams» verstehen die Baka mehrere Knollengewächse, hauptsächlich aus der Gattung Dioscorea spp., wobei jede Pflanze ihren eigenen Namen und Nutzen hat. Die wichtigsten sind:

Ba (Dioscorea mangenotiana): Diese geschmackvolle Knolle mit gelbem Fleisch ist eine Delikatesse, die sogar in einem europäischen Gourmetrestaurant Aufsehen erregen könnte.

Sapà (Dioscorea praehensilis): Diese Knolle wird auch in der Trockenzeit gesammelt und ist für ihre Langlebigkeit bekannt.

ʔèsùmà (Dioscorea semperflorens): Sie hat eine schlanke Form, wächst in lockeren Böden und ist leichter zugänglich, da sie meist nicht tief im Boden liegt.

Der wilde Yams wird in der Baka-Kultur nicht nur als wichtiges Grundnahrungsmittel betrachtet wird, sondern auch als Teil des symbolischen Erbes und ist in ihren Mythen, Riten und spirituellen Vorstellungen verwurzelt.

Ein reichhaltiges Angebot

Neben dem wilden Yams wachsen im Wald viele weitere Pflanzen, die unterschiedlich genutzt werden. Sie wissen, welche Blätter als Gemüse gegessen werden können, welche Früchte und Nüsse essbar sind sei es mit Wurzelknollen (ausser Dioscorea spp.), wildes Blattgemüse, sowie Nüsse und Wildfrüchte. Für die Küche sammeln sie geschmackvolle Gewürze aus Blättern, Samen und Rinden (eines davon schmeckt wie Aromat). Aus einer Rinde (vermutlich des afrikanischen Pfefferbaums (Zanthoxylum heitzii) bereiten die Baka ein extrem scharfes Aufgussgetränk.

Wilde Mango

Die Baka wissen genau, welche Früchte, Samen und Nüsse geniessbar sind und wie sie verwendet werden können. Eine der beliebtesten Früchte gleichzeitig eine weitere wichtige Ressource ist die wilde Mango (Irvingia gabonensis), die als «Andok» bekannt ist. Diese Früchte reifen in der Trockenzeit und bieten den Baka eine wertvolle Quelle für Fette und Kalorien. Die Mangos werden nicht nur frisch verzehrt, sondern ihre Samenkerne werden getrocknet und zu einer Paste verarbeitet, die als Zutat in vielen traditionellen Gerichten dient. Diese Kerne, auch «Ogbono» genannt, enthalten etwa 50–70 % Fett, hauptsächlich in Form von gesunden ungesättigten Fettsäuren. Die Mango-Saison ist eine willkommene Ergänzung im Speiseplan und gibt den Baka eine zusätzliche Kalorienquelle.

Maobi

Ein Höhepunkt im Sammelkalender ist die Maobi-Saison, wenn die Nüsse des Maobi-Baumes (Baillonella toxisperma) reifen. Während der Maobi-Saison ziehen die Baka oft in den Wald, um möglichst nah an den grossen Bäumen zu sein und die Nüsse zu sammeln. Aus den gesammelten Nüssen wird in einem aufwändigen Prozess ein Öl hergestellt wird, das reich an ungesättigten Fettsäuren und ein unverzichtbarer Bestandteil der Baka-Ernährung ist. Zudem wird das Öl traditionell zur Hautpflege und als Heilmittel für kleinere Hautprobleme wie Trockenheit und Risse​ genutzt. Das Maobi-Öl hat auch Einzug in die kosmetische Industrie gefunden und ausgewachsene Maobi-Bäume sind zunehmend rarer. 

Raupen

Wenn die Dörfer entlang der Straßen nahezu leer sind und die Kinder die Schule nicht besuchen, ist ein entscheidender Moment im Jahresrhythmus der Baka gekommen: die Raupenzeit. «Ils sont dans les chenilles» – sie sind «bei den Raupen».

Die Raupen von Schmetterlingen und Käfern sind für die Baka eine geschätzte Delikatesse und eine bedeutende Proteinquelle. Sie decken den saisonalen Bedarf an Proteinen und Mineralstoffen und ergänzen die pflanzliche Ernährung. Die Raupen werden meist frisch gekocht oder für eine spätere Nutzung getrocknet.

Die Populationen dieser Insekten nehmen langsam, aber stetig ab. Einerseits sind Insekten weltweit einem starken Rückgang ausgesetzt, andererseits steigt die Nachfrage nach essbaren Raupen in städtischen Gebieten, wo sie als Delikatesse gelten. Dies führt dazu, dass die Baka ihre Ernte nicht nur für den Eigenbedarf nutzen, sondern sie auch am Straßenrand verkaufen, wodurch der Druck auf diese Ressource steigt.
Zudem leben viele dieser Raupenarten auf Bäumen, die auch von der Holzindustrie stark nachgefragt werden, wie dem Maobi und dem Sapelli (Entandrophragma cylindricum). Die Abholzung dieser Bäume entzieht den Raupen ihre Lebens- und Nahrungsgrundlage, was die Populationen weiter gefährdet und somit die nachhaltige Nutzung durch die Baka beeinträchtigt.

Die Apotheke des Waldes

Die Baka nutzen die Pflanzen ihres Waldes, um Krankheiten zu behandeln und ihre Gesundheit zu erhalten. Ihr umfangreiches Wissen über Heilpflanzen wird seit Generationen weitergegeben. Jede Exkursion bietet die Möglichkeit, neben Nahrung auch medizinische Ressourcen zu sammeln. Während grundlegende Kenntnisse über fiebersenkende Blätter oder Wundheilungskräuter bei vielen Erwachsenen verbreitet sind, verfügen vor allem traditionelle Heiler – meist ältere Gemeinschaftsmitglieder – über spezialisiertes Wissen. Sie kennen die richtige Dosierung, Kombination und Zubereitung der Pflanzen, oft verbunden mit rituellen Praktiken. Dieses Wissen wird selektiv weitergegeben, meist an Personen, die das Vertrauen und die Fähigkeit besitzen, die Heilkunde fortzuführen. Medizinalpflanzen werden auch von Männern gesammelt.

Bedrohungen und Schutz

Die traditionelle Nutzung des Waldes steht durch zunehmende Abholzung und die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen unter Druck. Organisationen wie die FAO und lokale Initiativen setzen sich theoretisch dafür ein, diese Lebensgrundlagen zu schützen und die nachhaltige Nutzung dieser Ressourcen zu fördern, um die Lebensweise der Baka zu erhalten und die biologische Vielfalt des Regenwaldes zu sichern. In der Realität schreitet der Raubbau voran und hat massiven Einfluss auf die Lebensform der Baka.

Diese traditionelle Nutzung der Waldressourcen durch die Baka ist nicht nur eine Nahrungsquelle, sondern auch ein kulturelles Erbe und ein Beispiel für den respektvollen Umgang mit der Natur.